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Das Ringelspiel im Böhmischen Prater mit den 12 Holzpferden ist Europas ältestes Ringelspiel. Erbaut wurde es im 19. Jahrhundert (1890) von Rosa und Rudolf Wendl. Der Antrieb erfolgte damals von Hand durch Personal im Keller des Ringelspiels. Um 1900 wurde  ein Benzinmotor für den Antrieb des Ringelspiels und der Orgel eingebaut, welcher  1920 durch einen Elektromotor ersetzt wurde. Während des 2. Weltkriegs wurde das Karussell durch Bomben schwer beschädigt und die Orgel unwiederbringbar zerstört. Nach dem Krieg wurde das Karussell mit den damals zur Verfügung stehenden Mitteln wiederinstandgesetzt und in Betrieb genommen. 1984 wurde das Ringelspiel aufgrund seiner Einzigartigkeit unter Denkmalschutz gestellt und aufwendig renoviert. In der Winterpause 2016/2017 hat das Ringelspiel eine neue, aus dem Jahre 1900/1920 stammende Orgel erhalten und somit ist das Karussell nun wieder komplett.

DIE NEUE ORGEL

Die Grundsubstanz der Orgel stammt von einer Tanzorgel aus dem 19. Jahrhundert. Der Blasebalg, die Trommel, Bässe, Violinen und Flöten wurden 1920 von der Firma Mortier aus Antwerpen, Belgien eingebaut. Im Jahr 2000 wurde die Orgel durch die Firma Krul Drehorgelbau aus Leiden, Niederlande neu adaptiert, die Ziehharmonika ergänzt und von Grund auf neu gestimmt.Die Orgel verfügt über 52 Tonstufen, 8 Bässe (doppelt oktaviert), 12 Doppelbegleitpfeifen (oktaviert) und je links und rechts Streichpfeifen. Pfeifen, Glockenspiel, ein selbstspielendes Akkordeon, Bassdrumms, Woodblocks, Marakas (Rasseln) und Percussion. Sie spielt 22 Melodien mit schwebendem Borchon über Lochkarten. Das Glockenspiel stammt aus der Werkstätte Johnny Verbeeck aus St-Job-in’t-Goor, Belgien. Bei der Restaurierung im Jahr 2000 wurde die Orgel zusätzlich mit einem elektrischen System ausgestattet.

Seit Anfanf 2017 betreibt der Verein „Freunde des Böhmischen Prater“ das Ringelspiel und den damit verbundenen Park Hrabalek. Hier auf dem Areal, Laaer Wald 473, ist in den letzten Monaten ein wahres Paradies für die ganze Familie entstanden.

Fahrzeit: 3 Minuten / Preis: € 3.50

Bescheid:

Das Bundesdenkmalamt hat entschieden:

Spruch:

Es wird festgestellt, daß die Erhaltung des Ringelspiels in Wien 10., Laaer Wald 473 und 20 b, Gdst.Nr. 579/2, EZ 2727, KG Simmerin, gemäß §§ 1 und 3 des Bundesgesetzes vom 25. September 1923 BGB1.Nr. 533/23 (Denkmalschutzgesetz), in der Fassung der Bundesgesetze BGBI.Nr. 92/1959 und BGBI.Nr. 167/1978, im öffentlichen Interesse gelegen ist.

Begründung:

Auf Grund eines Amtssachverständigen-Gutachtens sowie des übrigen Ermittlungsverfahrens steht fest:

Das Ringelspiel im Böhmischen Prater stellt heute eines der ältesten in Funktion stehenden Beispiele seiner Art dar. Wie aus einer alten Photographie ersichtlich ist, wurde es 1890 an Ort und Stelle aufgebaut, also bereits wenige Jahre nach Gründung des Böhmischen Praters im Jahre 1885 (Tafel mit der Aufschrift „Volksbelustigungen Rosa und RudolfWendl gegr. 1890“). Das Ringelspiel besteht wie üblich, aus der um die Mittelachse sich drehenden Plattform mit Holzpferden und anderen Aufbauten und einem Gehäuse. Das Gehäuse ist ein niedriger Holzbau über neun eckigem Grundriß mit einem flachen, mit Teerpappe gedeckten Zeltdach. An sechs der neun Seiten befinden sich große zweiflügelige Holztore, die während des Betriebes offenstehen und auf diese Weise Zugang und Belichtung des Karussells ermöglichen. Der Antrieb erfolgt über einen, vermutlich in den 20-er Jahren in einem Anbau an der Rückseite aufgestellten Elektromotor (Anlaßmotor mit offenen Schleifringen).

Die Hauptattraktion des Ringelspiels bilden die zwölf sogenannten Springpferde. Dabei handelt es sich um hölzerne Rösser, die auf einem Mechanismus mit starken Federzügen montiert sind, so daß der Reiter während der Fahrt noch zusätzlich vor- und zurückschwingen kann. Dies hängt mit dem alten, noch aus der Tradition der Reiterturniere herzuleitenden Sinn des „Ringelspiels“ zusammen. („Im Prater reitens sogar auf hölzernen Pferden…. . Da habns dabei einen Spies, in der Hand, da stoßen einige auf Türkenköpfe, andere fahren damit mitten in ein kleines Ringel und sind aufs Treffen abgerichtet aus den Kunst.“ Briefe eines Kagraners an seinen Herrn Vettern in Eipeldau. Wien 1785, abgedruckt bei H. Pemmer und N. Lackner: Der Wiener Prater einst und jetzt, Wien 1935, S. 18.) Im Böhmischen Prater hatten die Reiter keinen Spieß, sondern mussten mit dem Pferd so weit nach vorne „springen“, daß sie mit der Hand die früher an der Wand des Gehäuses hängenden Ringe erhaschen konnten. Bekamen sie dabei einen bestimmten Ring zu fassen, konnten sie eine Freifahrt gewinnen.

Die Mechanik der Springpferde geht in Form und Ausführung sichtlich auf die Zeit der Errichtung des Ringelspiels im Jahr 1890 zurück. Die Holzrösser selbst sind vermutlich bereits früher entstanden. Die dürften 1890 von einem älteren Karussell übernommen und wiederverwendet worden sein. Die Ornamentik an Sätteln und Zaumzeug der Pferde entspricht der etwas Die Phase des „Romantischen Historismus“ um 1860, und auch die etwas schematische Wiedergabe der tierischen Anatomie ist um 1890 nicht mehr üblich. Die erst vor ca. 10 Jahren von der Vorbesitzerin verkauften Wiegenpferde – sie standen im inneren Kreis des Ringelspiels und konnten über einer unter ihrem Bauch befindlichen Achse nach vorne und hinten geneigt werden – unterschieden sich deutlich von den Springpferden. In ihrer auf einer alten Photographie noch gut erkennbaren starken Bewegtheit und größeren Naturnähe entsprechen sie stilistisch dem Aufstellungsdatum von 1890 wie auch die Ähnlichkeit zu ihren Artgenossen im ehemals, 1895 errichteten Kastnerschen Ringelspiel im großen Prater (Abb. Bei H.Penner und N. Lackner, Taf. 26) bestätigt. Neben den Springpferden gibt es im Ringelspiel des Böhmischen Praters noch zwei Autos, die in ihrer der Kutsche noch stark verwandten Form und ihrem Dekor ebenfalls zur originalen Ausstattung des Ringelspiels gehören dürften. Die Straßenbahn und einige weitere Aufbauten kamen in der Zwischenkriegszeit hinzu; in jüngster Zeit trat an die Stelle der Wiegenpferde ein Hubschrauber.

Das Ringelspiel im Böhmischen Prater stellt heute auch über die Grenzen Österreichs hinaus bereits ein sehr seltenes Beispiel seiner Gattung dar. Dies trifft sowohl auf den Außenbau zu, der in seiner typischen Erscheinung – neuneckig mit großen Holztoren – bis ins 18. Jahrhundert zurückverfolgt werden kann, als auch auf die Ausstattung mit Springpferden, die in ihrer Art einzigartig sein dürften.

Im Zusammenhang damit wird auch auf nachfolgende einschlägige Literaturen/alte Ansichten/Pläne verwiesen:

Hans Pemmer und Ninni Lackner, Der Wiener Prater einst und jetzt, Wien 1935, v.a. S.18, 31, 162, 197, Taf. 24, 26.

Werner Schubert, Favoriten, Wien 1980, S. 68.

Die Bedeutung und Bewertung des Objekts im Gutachten als Denkmal erachtet die Behörde aus folgendem für gegeben:

Die Erhaltung des Ringelspiels, dieser für Wien auch in den vergangen Jahrhunderten häufig bezeugten und daher charakteristischen Volksbelustigung, liegt daher wegen seiner kulturellen Bedeutung im öffentlichen Interesse, um so mehr als im Volksprater, dem eigentlichen Zentrum solcher Vergnügungsetablissements, infolge der Zerstörungen im 2. Weltkrieg keinerlei Vergnügungsstätten aus älterer Zeit erhalten sind.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. Damit ist im Sinne des dort zitierten Gesetzes das in Rede stehende Objekt unter Denkmalschutz gestellt.

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